let's lead – führ dich, führ andere
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#174 Individuum vs. Gemeinschaft
Kannst, willst und musst du es jedem Mitglied deines Teams, Bereichs oder deiner Abteilung recht machen? Oder braucht es klare Regeln und Rahmenbedingungen, die für alle gleichermaßen gelten?
Ein Dilemma und ein Widerspruch.
Damit du damit umgehen und vielleicht sogar deinen Frieden damit machen kannst, gibt dir Marcel in knapp 25 Minuten einige grundsätzliche und ganz praktische Impulse.
Eine Episode, die sich besonders gut für eine Auto- oder Bahnfahrt eignet.
Herzlich willkommen bei Für Dich für Andere, dem Podcast von Let's Lead. Ich bin Marcel und wünsche euch zuerst mal ein tolles neues Jahr, ein tolles 2025. Stalin sagte: Ein Toter ist eine Tragödie, tausend Tote sind eine Statistik. Was hat das mit Führung zu tun? Darüber spreche ich heute und möchte euch damit ein widersprüchliches Spannungsfeld aufziehen, in dem ihr euch vermutlich jeden Tag bewegt. Und euch vielleicht ein, zwei Gedanken geben, wie ihr damit umgehen könnt und wie ihr vielleicht auch ein paar Dinge auflösen könnt. Erster Gedanke, wenn ihr es jedem in eurem Team, in eurer Organisation recht macht oder recht machen wollt, gelingen wird es eh nicht, dann verliert ihr euch und verliert die Organisation aus dem Blick, das, was die Organisation will. Und eine Sache weiß ich, was eure Organisation auf alle Fälle will. So ihr denn eine GmbH, Freiberufler AG, also eine Wirtschaftsorganisation seid. Denn diese eine Sache eint alle Organisationen im Gesellschaftsspiel Wirtschaft. Und das ist Geldverdienen. Und zwar mehr, als man ausgibt. Wenn eine Organisation das nicht schafft, auf Dauer, dann nennt man das Insolvenz und dann wird der Laden dicht gemacht. Das liegt noch nicht mal in eurer oder der Kontrolle der Gesellschaft oder der Inhaber. Also ist das primäre Ziel einer Wirtschaftsorganisation, Gewinn zu erzeugen. Und jetzt kann man sehr gerne darüber nachdenken, über Moral und wie viel und wie erzeugt man den Gewinn, sodass alle davon profitieren, win-win-win, win-lose. Also all die moralischen Fragen, wie das geschieht, die sind legitim und richtig, aber sie verfolgen am Ende doch einen einzigen Zweck: Gewinn erzeugen. Also hat die Organisation ein Bedürfnis, alles dafür zu tun, dass Gewinn erzeugt wird. Ist das auch das Ziel aller Mitarbeitenden, aller Individuen in der Organisation? Idealerweise ja, ist, glaube ich, aber auch eine Illusion. Denn welche Ziele hat jeder Mitarbeitende? Und wieder probieren wir ein bisschen moralfrei daran zu gehen. Meiner Einschätzung nach ist bei allen angestellten Mitarbeitenden ein Tausch da. Kompetenz und Zeit versus Geld. Und auch hier spielt das Geld eine Rolle. Also hat jeder Mitarbeitende eine grundsätzliche Motivation, verständlicherweise so viel Geld verdienen zu wollen wie möglich. Auch hier gibt es wieder Abgrenzungen. Manche sind, wenn wir jetzt wieder in Persönlichkeiten gehen, sehr raffgierig, andere sind bescheidener in ihrer Persönlichkeit. Aber guten Lohn wollen alle haben. Also stehen da zwei Interessen entgegen. Alleinem Geld verdient. Die Organisation will ihren Gewinn optimieren. Die Mitglieder der Organisation, die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, wollen ihr monetären Gewinn erhöhen und behalten. Das ist ein Widerspruch. Dazu gibt es noch all die Bedürfnisse, die die Menschen nun mal haben. Von ich will Beitrag, ich will gesehen werden, Anerkennung. Und auch die sind wieder moralfrei von mir bewertet, all die Bedürfnisse, die wir als Menschen und in den verschiedenen Persönlichkeitstypen so haben. Und jetzt habt ihr als Führungskraft echt ein Dilemma. Zum einen seid ihr eher selber Mitarbeitender oder Mitarbeitende und damit in diesen Widerspruch gefangen. Ihr sollt zur Wertschöpfung der Organisation beitragen, das ist euer Job, besonders als Führungskraft. Gewinn erhöhen, Wertschöpfung erzeugen und gleichzeitig wollt ihr auch euren Lohn optimieren und ein gutes Geld verdienen. Und dann kommt noch dazu, dass ihr auf disziplinarische Verantwortung für die Leute in eurem Team, in eurem Bereich, in eurer Abteilung habt. So, und jetzt müsst ihr aus Baldovern in diesem schwierigen Thema, die Leute sollen möglichst wenig demotiviert werden. Und gleichzeitig wollt ihr eine so effiziente wie mögliche Organisation, Mannschaft, Team, Bereich, Abteilung bauen und gestalten, damit ihr die Ziele, die ihr euch selber setzt oder vorgegeben bekommt, im Sinne der Gewinnerzeugung erreichen. Und dieses Dilemma ist groß und es ist nicht aufzulösen. Jetzt gibt es oft für die Bedürfnisse von einzelnen Menschen sehr, sehr gute Gründe, warum diese Menschen genau diese Bedürfnisse erfüllt haben wollen und vielleicht auch mit welcher Strategie sie sich die erfüllen wollen. Urlaubsanträge. Ich brauche mal eine Auszeit, ich brauche mal eine Ausnahme. Ein Beispiel. Gehälter, ich will mehr verdienen, weniger verdienen. Welche Arten von Tätigkeiten kann ich haben? Homeoffice, ich kann wirklich besser arbeiten, wenn ich zu Hause bin und nicht im Büro. Ich kann nicht mit PCs umgehen, ich bin ein Mac-Typ. Also all die Arbeitspräferenzen, die die Menschen mit sich bringen, könnte man sagen, und auch aus der Argumentation des Individuums schlüssig, damit ich optimal performen kann, Chef, brauche ich bitte diese und diese Rahmenbedingungen. Und unsere Gesellschaft, wie ihr mitbekommt, und wenn ihr Kinder habt, wisst ihr, dass das Lehrersein einer der undankbarsten Jobs ist momentan. Jeder, dieser Individualismus, also jeder hat mit gutem Recht, die Aussage zu treffen, was für andere gilt, mag sein, aber es gilt für mich nicht und es muss für mich passen. Ich bin ein einzigartiges Wesen, was eine einzigartige Behandlung wünscht, braucht und auch fordert. Und wieder aus der Perspektive des Individuums nachvollziehbar. Aus der Perspektive des ganzen AK der Organisation ein Problem. Und die Schulklasse ist ähnlich. Ich will als Organisation möglichst wenig Aufwand haben, möglichst effiziente, gut geschmierte, wenn ich was jetzt sagen, Maschine bauen, die Wertschöpfung erzeugt und damit Gewinn erzeugt. Und viele Felder, wo wir auf das Individuale eingehen, führt dazu, dass es zwei Konsequenzen haben kann. Wenn ich auf jeden individuell eingehe, kann ein Gefühl von Ungerechtigkeit entziehen, weil nach welchen Kriterien entscheidest du jetzt, ob Person A zu Hause arbeiten darf oder Person B nicht zu Hause arbeiten darf? Schwer zu argumentieren, es ist oft ein Gefühl oder man hat Mitgefühl mit der Person oder versteht die individuelle Situation. Das kann aber jemand anders, ein anderer Mitarbeiter, der eine andere Entscheidung von dir bekommen hat oder einen anderen Rahmen, eine andere Regelung, als ungerecht, als unfair bezeichnen. Also gibt es nochmal eine Unterscheidung zwischen dem Begriff gleich und fair. Alle gleich behandeln versus alle fair behandeln. Und in unterschiedlichen Entscheidungen, die ihr zu treffen habt: Anwesenheit, Leistungsmessung, Leistungsbewertung, Arbeitslastverteilung, Verantwortungsverteilung, all die Dinge, die ihr entscheiden müsst in eurer Bereichabteilung und Team, müsst ihr immer in Balance halten. Was gilt für alle und ist hoffentlich dadurch gut für die Organisation? Und wo braucht es Individualität? Man könnte sagen, Ausnahmen, Spezialregelungen, Speziallösungen, die auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen eingehen. Und der gesellschaftliche Druck von immer mehr Individualität dringt damit auch in das Wirtschaftsspiel mit ein. In Japan ist die Diskussion eine komplett andere mit all den Schwächen, die dahinter drin stecken. Dort steckt immer noch im Kern die Gemeinschaft über dem Individuum. Also sie ist wichtiger als das Individuum. Das Individuum ordnet sich der Gemeinschaft unter. Mit einigen großen Vorteilen und damit einigen Schattenseiten. Bei uns ist es immer, also aktuell nehme ich, das war eher umgekehrt. Mit dem Thema Fachkräftemangel, das man durchaus kritisch betrachten kann, aber dem Wechsel, dass sich junge Menschen immer mehr aussuchen wollen und auch vielleicht aussuchen können, wo sie arbeiten, steigt natürlich die Macht der Hebel in der Verhandlung zwischen Organisation und Bewerberin und auch Angestellten oder Mitarbeitenden, was durchgesetzt werden kann. Wenn ich keinen Ersatz für die Person habe oder glaube, keinen Ersatz zu finden, steigt die Verhandlungsposition des Individuums, wenn der sagt, ja, also ich verstehe das ja, dass es eure Regelung ist, dass ihr nur einen Tag Homeoffice habt in der Woche. Ich brauche aber drei. Und wenn ihr das nicht macht, finde ich halt eine andere Firma, die gibt mir drei. Kein Problem, ich bin weg. Das löst Stress in Organisationen aus, weil die Arbeitskraft, das Talent, die Fähigkeit wird gebraucht. Und das ist vermutlich, ich weiß nicht, wie es euch gerade geht, wenn ihr das hört, ein echtes Dilemma, was wir ein Leben, was viele Führungskräfte, speziell im mittleren Management, mit sich rumschleppen. Sie müssen die Bedürfnisse der Organisation repräsentieren und dafür sorgen, dass Geld verdient wird. Ich brech's mal ganz knapp runter. Und gleichzeitig sollt ihr, ich sah es auch mal flapsig, die Leute bei Laune halten. Sie motiviert halten, dass sie mit Sinn, Freude und Leichtigkeit an der Arbeit teilnehmen. Und die Macht des einzelnen Arguments ist riesig groß. Wir sind als Menschen hardwired in unserem Hirn, auf Einzelschicksale zu achten. Ich nenne euch ein Beispiel. Es gibt Studien, wenn ihr die Werbeplakate von NGOs, die Caritas, Brot für die Welt, die haben getestet, wenn sie ein hungerndes Kind auf das Plakat nehmen, wie ist die Quote von Spenden oder Response auf so ein Plakat oder eine Anzeige. Und dann haben die zwei Kinder aufgetan, also zwei hungernde Kinder und die Response-Quote und die Beteiligung sinkt. Da kommt dieser Satz von Stalin am Anfang rein, also wieder Moral weg, ob Stalin böse gut, sondern der Gedanke ist, dass wir, sobald es abstrakter wird, den Kontakt zum Individuum verlieren und das mögen wir als Menschen nicht. Das heißt, wenn ich als Abteilungsleiter, Bereichleiter, Geschäftsführer sage, das tue ich und entscheide ich im Sinne von der Gesamtheit, kann es oft wahrgenommen werden und wird auch oft wahrgenommen, als bürokratisch, kalt, keine Rücksicht nehmen, unempathisch. Ich habe hier, du hast gar nicht alle gehört, alle mitgenommen, alles verstanden. Und guck dir doch mal an, welche Konsequenz diese Entscheidung für Maria hat. Wie die darunter zu leiden hat, lässt sich das denn völlig kalt, dass die jetzt mit ihrem Kind nicht zusammen sein kann, weil das hat ein Problem X und muss nur zu der Schule gehen. Wie kannst du bloß so eine Entscheidung treffen? Und eine der vielleicht nicht so gern gehörten Aussagen ist, diesen Schmerz, diese Reibung, diese Widersprüchlichkeit auszuhalten, das ist das, wofür ihr, glaube ich, Geld bekommt. Nämlich Verantwortung zu übernehmen, wie Arbeit organisiert wird, um bestmögliche Wertschöpfung zu erzeugen und mit den Konsequenzen zu leben. Erfolg, Misserfolg, bei Erfolg vielleicht eine Provisionierung, eine Beteiligung, bei Misserfolg vielleicht Ärger und eben auch nicht von allen gemocht zu werden. Und ein weiteres Bedürfnis der allermeisten Menschen ist, Harmonie, Anerkennung, Gesehenwerden und Liebe. Bei mir natürlich auch. Und wenn ich dann feststelle, dass Leute mich doof finden, wenn ich eine Entscheidung treffe, dann ist dieses Bedürfnis nicht erfüllt. Und die Versuchung ist nah im Einzelgespräch immer eine Ausnahme zu machen. Und es gibt dafür keine Regelung, kein Lehrbuch, so hast du das zu entscheiden, so musst du das tun. Es hängt von deiner Persönlichkeit, von deinen Arbeitspräferenzen, vom Kontext der Organisation, vom Kontext deines Bereichs, deines Teams und natürlich von der Größe deines Teams und auch von den Persönlichkeiten in deinem Team ab. So kann es sein, dass du in einer Organisation A mit deinem Führungsstil sehr erfolgreich bist. Und wenn du in eine Organisation B wechselst, mit deinem Führungsstil komplett gegen die Wand plotst und das gar nicht funktioniert. Und dann wirst du dich anpassen müssen, dich prüfen müssen, wie sehr verbiegst du dich, wie sehr gehst du an deine Werte ran, wie sehr tust du Dinge, die für dich nicht mehr stimmig sind, wo aber gleichzeitig lernst du und sagst, guck mal, hier funktioniert das so, hier hilft das, hier bin ich, hier passe ich mich an, um meinen Auftrag zu erfüllen. Und dieses permanente Austarieren ist nötig und braucht, ich glaube, zwei große Bausteine, damit dir oder euch das gut gelingt. Der eine lautet Reflexion. Ich meine, aus der Beraterwelt, man kann es ja fast nicht mehr hören, alles muss immer reflektiert werden, Pause machen, Achtsamkeit. Aber ja, die Welt ist komplexer, es gibt weniger Rezepte, weniger Blaupausen, wie man erfolgreich in Unternehmen wirtschaftet und arbeitet. Also braucht es natürlich mehr nachdenken und reflektieren, damit ihr eine bewusstere und informiertere Entscheidung treffen könnt. Da geht nichts dran vorbei. Und wir erwähnen ja in unserem Podcast und in unseren Newslettern immer wieder, das Zauber-Tool, was wir dafür anbieten, ist Spazieren gehen. Geht's raus und geht's spazieren, würde Franz Beckenbauer sagen. Dieses Spazieren gehen ohne Handy, bitte, ohne permanent Mails checken, WhatsApp gucken und auch vielleicht gar kein Hörbuch hören oder noch einen Podcast, um noch besser und effizienter zu werden, sondern eine Stunde spazieren gehen und vielleicht das Thema aus diesem Podcast mitnehmen. Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr eine gute Balance zwischen individuell genug im Ureimführungsstil, aber habt ihr auch die Organisation im Blick, den Auftrag, den die Organisation euch gegeben hat, unabhängig von den Individuen für eine optimale Wertschöpfung zu sorgen? Man kann es sogar noch krasser formulieren. Die Organisation gibt euch quasi den Auftrag, die Wertschöpfung so zu organisieren, dass ihr möglichst wenig von Menschen und den Mitgliedern der Organisation abhängig seid. Weil die Organisation will weiter überleben und wenn sie die Menschen austauschen könnte, also wenn die Individuen nicht nötig wären, wenn man alles maschinell herstellen könnte und damit viel Geld verdient, wäre die Organisation als eigene Identität happy. Also ihr habt aus dem Spiel der Wirtschaft und der Organisation einen Anspruch, eine Erwartungshaltung, dass ihr eben nicht auf alle eingeht und gleichzeitig merkt ihr aber, dass ihr von den Talenten einzelner Menschen abhängig seid. Arbeitsmarkt, Talente, Fähigkeiten, Erwartungen und das ständig abzugleichen, gut zu überlegen, auszutarieren, zu lernen, im besten Fall mit eurem Team, aber auch alleine, wie wollt ihr entscheiden? Das braucht Reflexionszeit, das muss sacken. Wenn das nur zwischen Tür und Angel, wenn das nur zwischen einem und dem anderen Meeting geschieht, wenn das immer ad hoc funktioniert, also wenn ihr anfangt, da sehr spontan und reaktiv auf Anfragen zu reagieren, dann kann das gefährlich werden, weil ihr dann keinen eigenen Stil oder keine eigene Haltung oder Stabilität ausprägt, sondern eher getrieben werdet. Und wenn soziale Systeme und Menschen irgendetwas schnell erriechen und schnüffeln, ist es, ob eine Führungskraft klar, integer, kohärent ist und weiß, warum sie gewisse Dinge tut und warum sie gewisse Dinge nicht tut. Und um diese innere Stabilität zu gewinnen, ist Reflexion, Sacken lassen, Spazieren gehen, Nachdenken, ganz wertvolle Arbeitszeit. Und auch hier weiß ich, mittleres Management ist vollgestopft mit operativer Arbeit. Aber ihr habt, glaube ich, die Erwartung und auch die Pflicht, euch diese Blöcke zum Nachdenken und darüber nachdenken zu geben. Und das Zweite ist, und das habe ich heute probiert, euch so ein bisschen unterschwellig mitzugeben, vielleicht habt ihr es auch in meiner Sprache gemerkt, die wir sprechen, wir bemühen uns, euch die Systemtheorie von Niklas Luhmann, die Betrachtung, dass Organisationen, soziale Systeme wie eigene Leben bewesen sind und dass die Spielregeln dieser Systeme, euer Verhalten und dass aller Menschen in der Organisation viel stärker prägen und bestimmen als uns bewusst und auch unseren Egos Recht und Liebes. Und wenn ihr eure Denkwerkzeuge, also wie schaut ihr auf das Verhalten von Menschen, wenn ihr das erweitert und das mit Reflexion kombiniert, dann ist unsere Behauptung, werdet ihr wirksamer. Und ihr merkt ja, wenn ich sage, keine Moral ist draußen, ich habe ja ganz bewusst das Beispiel von Stalin genannt, dieser Statistik. Da springt sofort die Moral an. Also wie kann ich zum Thema Organisation, Führungsarbeit mit Stalin vergleichen? Ich meine, da sind sich alle Leute einig, der war jetzt kein sehr cooler Typ und auch kein sehr guter Typ. Aber in der Betrachtung von sozialen Systemen hilft es, wenn man sie aus dieser Brille betrachtet, nicht in Gut und Böse zu denken, sondern in Sinnhaft. Deswegen bieten wir auch immer euch, wenn ihr in unserem Programm seid, die Frage an, nicht, warum verhält sich Peter Paul Maria so, sondern warum? Macht das Verhalten von Peter, Paul, Maria in diesem Kontext, unter dieser Situation Sinn? Ja, also Klassiker hören wir ganz oft, unsere Leute sind nicht motiviert. Meine Frage lautet dann, warum macht es bei euch Sinn, nicht motiviert zu sein? Und dann nimmt man ein bisschen von dem weg, worauf wir alle gut geeicht sind, nämlich, ich nenne es flapsig auf Englisch, Blaming und Shaming. Wenn irgendwas nicht funktioniert, muss ja was denn sonst irgendjemand schuld sein. Und diese reflexhafte Kausalität, etwas in der Organisation funktioniert nicht, also braucht es einen Schuldigen oder eine Schuldige, ist in uns hineintätowiert worden. Und es wird durch alle Medien in der Politik, auf Netflix, Fernsehserien, Amazon Prime, in allen großen Serien, geht es nur darum, wenn ihr das mal beobachtet, über soziale Dramen hauptsächlich, also wer hat was gemacht, Intrigen, Persönlichkeiten, die ist böse, der ist gut, die ist hinterhältig, der ist lieb, der ist nett, Schwarz und Weiß, Star Wars und so weiter. Also wir sind darauf gedrillt, in Gut und Böse zu denken. Und das war natürlich zur Steinzeit richtig, richtig, richtig relevant. Also einen Säbelzahn-Tiger nicht als böse oder gefährlich zu bezeichnen, war lebensgefährlich. Das haben wir heute so stark nicht mehr, aber die moralische Bewertung ist nach wie vor sehr präsent in unseren Köpfen. Und wir laden ein, der ein Gegengewicht zu geben. Nicht um sie zu ersetzen, sondern einen Gegenwicht zu geben, der aus dieser Systemtheorie kommt, die sagt, Menschen verhalten sich im jeweiligen Kontext immer sinnhaft. Und dieser Blick entlastet auf einmal total die Menschen. Und das kann euch auch helfen, wenn ihr Entscheidungen treffen müsst, die eben fürs Ganze gut sind, aber für einige Individuen scheiße. Und ihr werdet solche Entscheidungen immer treffen. Jetzt kommt der spannende Satz: bewusst oder unbewusst. Auch wenn ihr sagt, ich will so eine Entscheidung gar nicht treffen und ich probiere es jedem recht zu machen, habt ihr halt entschieden, dass ihr für die Gemeinschaft keine einheitlichen Regelungen aufsetzt. Ist auch eine Entscheidung. Löst aber ein paar Konsequenzen aus, die wieder Leute unzufrieden machen. Also auch wenn ihr sagen würdet, ich will es jedem Individuum recht machen, habt ihr für die Gemeinschaft, für die ihr verantwortlich seid, eine Entscheidung getroffen, die höchstwahrscheinlich sehr viele Menschen unzufrieden zurücklässt. Ich glaube, dann kommt das Thema Fairness und Gleichheit wieder auf. Und diese Balance, die, glaube ich, ist Kern eurer täglichen Arbeit abseits der fachlichen Arbeit, die ihr leistet, die ich bei euch immer spüre. Also ihr müsst fachlich von eurem Produkt, von eurer Wertschaft, von euren Kunden, von der Technologie Ahnung haben. Der Blick darauf, dass ihr für euren Verantwortungsbereich entscheidet, wie entschieden wird, ist vielleicht ein kleiner Dreher am Kopf, aber eine sehr relevante Frage für euch und eure Führungsarbeit. Und mit diesem kleinen Dreher entlasse ich euch in einen hoffentlich tollen Tag. Und vielleicht nehmt ihr uns ja, oder mich in diesem Falle, mit diesem Gedankengut, was ich euch gerade gegeben habe, mit auf einen Spaziergang und schaut mal, wie ihr diese Balance aus Individuum und Gemeinschaft gerade in eurem Verantwortungsbereich handelt. Viel Spaß und viel Erfolg damit.